Montag, 20. Juli 2009

Das Cervicalsyndrom

Das ist jetzt das Ende. 63 bin ich geworden. Nicht besonders alt. Gott sei dank war ich noch in Amerika. Ich kann den Kopf nicht heben. Ich bin schwindlig, mir ist totenschlecht. Vielleicht ist die Maria da. Gott sei dank, sie ist zu Hause. Sie kommt gleich runter. Sie hat Schlüssel. Man muss die Rettung anrufen, ich muss ins Spital. Ich zitter am ganzen Körper. Kann es nicht abstellen. Die Maria fährt mit. Die Kinder sind in der Schule. Sie hat Zeit. Pack, bitte, den Rucksack. Das Buch steck, bitte, ein. Mit der Rettung kommt ein Arzt. Die Maria wird es entsprechend dramatisch geschildert haben. Blutdruck wird gemessen. Natürlich. Das ist immer das erste. Das muss sein. Er ist eh ganz normal. Blutabnahme am Finger. Kein Zucker. Ab ins Spital. In mein Schlafimmer kommt man nicht mit einem Bett. Ich kann nicht aufstehen. Kann den Kopf nicht heben. Es ist schrecklich. Sie kommen mit einem Sessel mit hoher Lehne. Ich komm nicht hoch. Sie ziehen mich an den Händen. So ein Stuß. Ich hab ja nichts in den Füßen. Es ist der Kopf. Ich bitte, dass man den Kopf hält. Komme hoch, in den Sessel, Kopf angelehnt. Zu Maria: zieh mir, bitte, Schuhe an. Nimm, bitte, den Mantel und den Rucksack. Sie tragen mich mit dem Sessel hinunter. Es geht ins Wilheminenspital. Auf die Interne. Keine Ahnung, wieso Interne. Aufs Bett legen. Das ist wieder ganz schrecklich. Noch einmal Blutabnahme. Intern fehlt mir wohl nichts. Mir ist entsetzlich schlecht. Ein Neurologe muss hinzugezogen werden. Warten. Ich zitter noch immer. Die Maria soll nach Hause gehen. Es hat ja keinen Sinn, da zu sitzen. Sie muss jetzt sowieso gehen, weil die Kinder von der Schule kommen. Nach drei Stunden kommt endlich die Neurologin. Untersuchung im Liegen. Nix. Ich hab nichts Neurologisches. Ich war eh unlängst bei einem Neurologen, weil ich schon seit zwei Monaten schwindlig bin und beim Gehen schwanke. Der hat gesagt: So einen gesunden Menschen wie Sie hab ich schon lange nicht gesehen. Und: Es gibt keinen Schwindel von der Wirbelsäule. Aufstehen. Ich kann nicht aufstehen. Die Ärztin hilft mir auf. Aber der Kopf. Ich schrei. Wenn man Sie nicht untersuchen kann, müssen Sie hier bleiben. Gut. Man wird sicher eine MRT machen. Das wollte ich eh schon die ganze Zeit. Ich werde in ein Zimmer gekarrt. 5 Bett Zimmer. Ich merk eh nichts. Wenigstens ist der Pfleger gefühlvoll. Schubst mich von der Bahre direkt aufs Bett. Kein Schwein kümmert sich um mich. Keine Infusion. Nix. Das Zittern hat aufgehört. Aber den Kopf kann ich immer noch nicht heben. Eine Turnusärztin kommt und will die Anamnese machen. Blutjung, vielleicht 26. Die üblichen Fragen. Dann fragt sie: was haben wir für eine Jahreszeit. Jetzt bin ich aber empört. Glaubt sie, ich bin dement? Bitte, wenn Sie das genau wissen wollen: Spätherbst. Und jetzt werden Sie mich gleich fragen, wie viele Türme der Stephansdom hat. Sie schaut völlig irritiert. Das weiß ich nicht, sagt sie ganz erschrocken. Einen, belehr ich sie. Die Frage hab ich von meinen Recherchen für mein letztes Buch. Da hab ich so viele medizinische Bücher gewälzt. Und einmal bin ich auf eine Liste mit Fragen gestoßen, die man Schwachsinnigen stellt. Ich hab Hunger. Eine Schwester bringt mir zwei Butterbrote in Streifen geschnitten. Und Wasser in einem Schnabelhäferl. Das geht alles im Liegen. Um 7 am Abend kommt endlich die Dienst habende Ärztin. Es ging früher nicht. Es ist jemand gestorben. Sie haben eine Neuronitis vestibularis. Was ist das? Eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs. Woher kommt das? Das wissen wir nicht. Kann verschiedene Ursachen haben. Sie bekommen Cortison und was gegen den Schwindel. Also nichts Gefährliches. Endlich schlaf ich ein. Um zwei in der Nacht wach ich auf. Es ist alles weg, ich geh aufs Klo. Eine Patientin schreit: I wü an Kaffee. Mit an Stickl Zucker. Eine andere Patientin schreit Ruhe. Am nächsten Tag geschieht gar nichts. Ich muss auf einen Termin für eine MRT warten. Morgen wahrscheinlich. In dem Zimmer liegen lauter Greise. Die eine ist offenbar dement. Sie schreit schon wieder: I wü an Kaffee. Sie hat offenbar eine gebrochene Schulter. Eine dicke Schwester schubst sie ganz grob hin und her. Die Patientin schreit vor Schmerz. Die Schwester brüllt sie an. So ein Arschloch diese Schwester. Wie gibt’s das? Wenn sie diesen Job nicht mag, wieso ist sie dann Krankenschwester geworden?
Ich frag nach einem Privatzimmer. Sie legen mich in ein Dreibettzimmer. Ist schon angenehmer. Eine Patientin ist ein bisschen älter als ich, die andere Ende 40. Ich hab keine Lust mich zu unterhalten. Gott sei dank hab ich zu Lesen. Eine Biographie von Walter Rathenau. Schlecht, aber trotzdem ganz interessant. Vielleicht kann der Franz vorbeikommen und mir das Buch vom Beppo bringen. Die jüngere Patientin hat Rheuma, ganz schwer. Sie kommt aus dem Burgenland. Sie ist schon zwei Wochen da. Wos i scho Medikamente g’nummen hob. Nix hüft. Ihr Vater ist gerade gestorben. Eine Psychologin war bei ihr. Sie hat am Nachtkastel ein Buch liegen. Leben nach dem Tod. Da hat der Arzt bei der Visite gefragt, ob sie sich umbringen will. I wü mi net wegrama. Mei Vater is g’storben. Ist die Psychologin gekommen. Hat sie mich auch g’fragt, ob i mi umbringen will. I wü mi aber net wegrama, mei Vater is g’storben. Nur wei i des Buach am Nachkastl liegen hab. Aber mei Vater is g’sturben. Da ham’s ma a Medikament geben. Seroquel. Sie redet ein bisschen viel. Aber die Geschichte ist auch lustig. Am nächsten Tag bei der Visite fragt der Arzt, ob ihr das Medikament geholfen hat. Sie hat es aber erst einmal genommen. Sie weiß nicht, ob es ihr geholfen hat. Sie glaubt nicht, dann nehmen Sie es nicht mehr. Weg sind sie die Ärzte. Die vülen Medikament, die nutzen ja eh nix. I wü mi net wegrama. Da schickn’s ma die Psychologin. Mei Vater is g’storben. Jetzt reicht es mir. Ich will lesen. Aber die Geschichte ist einfach gut. Am nächsten Tag geht’s zum MRT. Mir geht es leidlich. Nicht schlecht, aber beim Gehen schwanke ich wieder. Hat ganz leicht begonnen und ist immer stärker geworden. Manchmal tut mir der Schädelknochen weh, manchmal bis zur Nase. Meine alte TCM Ärztin hat geglaubt, es ist die Leber. Bin ich erschrocken. Die Leber ist aber ganz in Ordnung. Ich setz mich ein bisschen am Gang. Da prüft gerade jemand die Alte, die immer nach einem Kaffee geschrieen hat, auf Demenz. Sagen Sie mir eine Wiesenblume mit B. Primel, sagt die Alte. Das schreibt man aber mit P. I schreib’s mit B. Sie sagt das wie die Volksschulkinder. Nicht P, sondern so wie der Buchstabe im Wort ausgesprochen wird. Noch einmal. Eine Wiesenblume mit B. Butter ... Die Alte sagt wieder Primel.
Kein Tumor. Das hab ich mir eh schon gedacht. Aber ich schwanke beim Gehen und so ganz gut ist mir auch nicht. Wenn ich schon hier bin, soll auch noch eine MRT von der Wirbelsäule gemacht werden. Da muss man aber warten. Muss ich noch zwei Tage hier bleiben. Gemütlich ist es hier nicht und das Essen ist scheußlich. Typischer Spitalsschlangenfraß. Der Befund vom MRT ist noch nicht da. Ich kann nach Hause und soll nächste Woche anrufen. Ich bin nervös. Wenn ich irgendetwas an der Wirbelsäule habe. Ich fahr mit dem Taxi nach Hause. Mir ist nicht besonders gut. Ich schreib meiner TCM Ärztin ein Email, was im Spital war. Sie muss passen. Das kann sie auch nicht behandeln. Sie empfiehlt mir eine Ärztin für Homöopathie. Im Befund des Wirbelsäulen MRT steht, leichter Bandscheibenvorfall. Aber davon kommt der Schwindel nicht. Ich brauch einen anständigen Arzt. Ruf ich die Emmy Pappenheim an, die kennt die besten Ärzte von Wien. Der Primarius Müller in der Wiener Privatklinik, der ist eine Koryphäe. Vier Wochen Wartezeit. Eventuell kann er mich einschieben. Er ruft zurück. Blöderweise bin ich gerade auf der Post, viele Leute. Er schiebt mich nicht ein, wenn ich weggehen kann. Er empfiehlt mir einen Ersatz. Die Homöopathin verschreibt mir ein paar Tropfen. Eine ganz nette Person, aber ob das was hilft. Egal, alles ausprobieren. In zehn Tagen soll ich anrufen. Termin beim Orthopäden vom Helmut. Fahre mit der Straßenbahn, aber es geht mir nicht gut. Die Halswirbelsäule sendet Signale an das Gleichgewichtsorgan und wenn das gestört ist, ist man schwindlig. Der Neurologe, bei dem ich schon vor meinem Spitalsaufenthalt war, hat gesagt, von der Wirbelsäule kann man nicht schwindlig werden. So ein Tepp. Wenn es nicht gut wird, soll ich mich nach Speysing auf die Orthopädie legen, sie haben gute Erfolge, sagt der Orthopäde vom Helmut. Jetzt brauch ich einmal eine Physiotherapie. Die Wagner, die praktische Ärztin bei mir in der Nähe, empfiehlt den Hormayer bei mir im Haus. Der soll hervorragend sein. Schau ma einmal. Er zieht ein bisschen am Kopf. Weiss nicht. Blass bin ich die ganze Zeit. Schon seit das Schwanken das erste Mal aufgetreten ist. Blasser als sonst. Die Ärztin, die Empfehlung von der Koryphäe, die auch Osteopathie macht, schiebt mich ein. Habe darauf gedrängt, weil ich so schwindlig bin. Sie nimmt das nicht so tragisch. Das Zungenbein ist irgendwie verschoben. Ob ich in der Nacht mit den Zähnen knirsche. Ich soll in der Nacht eine Zahnschiene tragen. Die Homöopathie nützt nichts. Sie verschreibt mir wieder Tropfen. Der Helmut empfiehlt mir einen Arzt, der Neuraltherapie macht. Ich kann gleich kommen. Der erste Termin wird als Notbehandlung auf Kasse bezahlt. Er ist streng. Lässt einen nicht erzählen. Fragt gezielt in einer etwas strengen Art. Dabei erzähl ich doch eh immer so gezielt. Wahrscheinlich will er nicht, dass die Patienten lang und breit herumschätzen. Er spritzt ein bisschen. Das nächste Mal nimmt er es dann ernsthaft in Angriff. Es gibt Patienten, die simulieren und solche, die Dissimulieren. Sie gehören zu denen, die dissimulieren. Da hat er recht. Er will sehen, wie ich die Behandlung vertrage. Ich fahr mit der Straßenbahn nach Hause. Aber besonders gut ist mir nicht. Die Behandlung hat gar keine Wirkung. Donnerstag vor Weihnachten die nächste Behandlung. Die Blinddarmnarbe ist angeblich an allem schuld. Er spritzt ganz viel. Ich fahr mit der U Bahn nach Hause. Und dann wird mir schlecht. Der Helmut ist Gott sei dank da. Paspertin. Bringt mir Zwieback und Apfelmus. Mir ist ganz entsetzlich schlecht, aber anders als sonst. Nach zwei Tagen ist es besser. Am Montag nach Weihnachten ruf ich den Doktor an, dass mir so schlecht war. Das kann passieren, da hat er zuviel gespritzt. Wenn ich will, kann ich trotzdem kommen, er wird es weiter probieren. Ich fühl mich nicht besonders. Vor Neujahr soll ich noch einen Termin bei der Ärztin haben. Bekomm ich einen Anruf, der Termin muss abgesagt werden, sie muss sofort an den Bandscheiben operiert werden. So ein Schas. Ruf ich in der Privatklinik an, ob die jemanden wissen. Ja, eine Ärztin. Ich kann am 9. Jänner kommen. Wieder zum Doktor mit der Neuraltherapie. Er wird versuchen, mich zu behandeln. Er verlangt vorläufig nichts, erst, wenn es was hilft. Das ist ja toll. Die Ärztin in der Privatklinik macht auch Osteopathie, so wie die mit dem Bandscheibenvorfall und der Primarius. Mir geht’s nicht gut, ich muss mit dem Taxi fahren. Mir geht’s immer schlechter. Sie drückt ein bisschen auf die Brust. Angeblich knackst es, ich hör nichts. Blockaden. Es wird schon besser werden. In 14 Tagen soll ich wieder kommen. Ich fahr mit dem Taxi nach Hause. Anruf von der Ruth. Beim Tschibo gibt es einen faltbaren Stock, ob sie den für mich kaufen soll. Super. Ein Stock ist sicher eine Stütze beim Gehen. Es geht mir nicht gut. Liege die ganze Zeit. Manchmal ist mir ganz entsetzlich schlecht. Der Physiotherapeut hilft manchmal ein bisschen, aber nicht wirklich. Mir ist wieder sehr schlecht. Um 12 Uhr Termin beim Neuraltherapeuten. Wie komm ich da hin, wenn mir so schlecht ist. Ich kann kaum aufstehen. Mit dem Taxi natürlich. Trotzdem. Er merkt, dass es mir sehr schlecht geht. Warum haben Sie nicht angerufen, wenn Ihnen so schlecht ist? Er ist sehr nett und verständnisvoll. Spritzt in den Nacken und in den Kopf. Das lähmt ein bisschen die Muskulatur, kann ein Auge nicht schließen. Er meint, das vergeht schon. Aber dem Kopf geht’s nicht gut. Mit dem Taxi nach Hause. Jetzt hab ich endlich auch einen Stock. Die Spritze im Kopf war nicht gut, es tut mir weh. Der Schädelknochen tut mir auch weh. Ich kann kaum mehr gehen, schwanke arg. Wieder Termin bei der Ärztin in der Privatklinik. Sie holt mich vom Wartezimmer. Ich muss ein Stück gehen, sie geht hinter mir. Sie fängt gleich an: „So wie Sie gehen, müssen Sie ins Spital“. Hm. Sie müssen nicht, aber es wäre besser. Neurologisch ist nichts. Und die MRT war auch negativ. Sie glaubt trotzdem, dass es was Neurologisches ist. Sie arbeitet im Marta-Maria Spital und dort ist ein ausgezeichneter Neurologe. Professor Klein. Was kann es denn sein? Vielleicht ein Meningiom. Mir fällt das Gesicht runter. Heutzutage ist das ja alles nicht mehr so. Es kann auch eine Autoimmunerkrankung sein. Sie weiß es nicht. Ich soll ins Spital gehen. Gut, wenn sie es sagt. Gleich Montag früh. Sie kümmert sich um ein Zimmer und ruft mich Montag früh an. Ein Meningiom. Ich schau gar nicht nach, was das ist. Es ist sicher etwas ganz Schreckliches. Aber ich bin doch neurologisch untersucht worden und die MRT war auch negativ. Was weiß ich. Vielleicht hat man im Wilheminenspital auf dem MRT was übersehen. Wie bring ich das Wochenende über die Runden. An einem Meningiom stirbt man sicher. Sie hat gesagt, heutzutage ist das nicht mehr so. 90% der Brustkrebse kann man schon heilen. Erstens stimmt das wahrscheinlich so auch nicht. Und wie ist das bei einem Meningiom. Nur nicht nachlesen, sonst schnapp ich über. Mir ist wirklich schlecht. Sitzen kann ich überhaupt nicht, nur liegen. Sogar in der Wohnung geh ich schlecht. Muss mich anhalten, weil ich so schwanke. Der Schädelknochen tut mir weh. Und der Nacken. Vielleicht ist es eine Meningitis. Aber das hätten sie im Wilheminenspital bemerkt. Haare waschen tu ich gar nicht mehr. Egal, sind sie halt dreckig. Ich will schon Sonntag Abend ins Spital fahren. In der Früh ist mir immer besonders schlecht. Der Franz hat gesagt, er bringt mich mit dem Auto hin. Ich kann ja keinen Koffer tragen oder ziehen. Ich ruf im Spital an, es geht, ich kann kommen. Langsam pack ich den Koffer, leg immer nur ein bisserl was rein. Dann muss ich mich wieder hinlegen. Es ist nur ein Bett im Schlaflabor frei. Das ist eh super. Da bin ich allein im Zimmer. Es gibt noch ein Nachtmahl. Macht keinen besonderen Eindruck. Eine junge Ärztin untersucht mich neurologisch. Das kenn ich schon. Es ist alles in Ordnung. Wird schon kein Meningiom sein. Aber was hab ich? Wieso kann ich nicht gehen. Eine Turnusärztin macht wieder Anamnase. Wenigstens fragt sie mich nicht, was für eine Jahreszeit wir haben. Am nächsten Tag ruft mich die Ärztin an, sie hat ein Zimmer für mich. Sie weiß nicht, dass ich schon hier bin. Es geschieht einmal gar nichts. Kein Arzt kommt. Gegen Mittag komm ich dann zur Physiotherapie. Es gibt Massagen und die Frau Doktor lockert Blockaden und zieht ein bisschen am Kopf. Wieder zurück im Zimmer. Kein Doktor war noch da. Endlich um ½ 4 kommt der Professor. Er untersucht mich wieder neurologisch. Nix. Dann stellt er Fragen. Schwäbelt. Haben Sie Ängste, haben Sie Depressionen. Nein, schrei ich fast. So ein Tepp. Ich kann nicht gehen und er fragt mich so einen Scheiß. Vielleicht glaubt er, ich hab eine hysterische Gehstörung. Aber das kennt er wahrscheinlich gar nicht. Auf Psychisch reduzieren. Das hab ich schon g’fressen. Entweder es kommt von der Wirbelsäule. Er erzählt mir das auch von den Signalen, die die Wirbelsäule an das Gleichgewichtsorgan sendet. Das hat man früher nicht gewußt. Oder es ist ein phobischer Schwankschwindel. Das könnte es auch sein. So ein Blödsinn. Zur Sicherheit, falls es das ist, bekomme ich Glückshormon. Ich hab sicher keinen phobischen Schwankschwindel. Das hat man, wenn man einmal schwindlig war, dann kommt das sozusagen phobisch wieder. Blödsinn. Alle meine Befunde vom Wilheminenspital hab ich ihm gegeben. CD von den MRTs. Er wird es sich anschauen. Sie sind Schriftstellerin. Ja. Zu Weihnachten hab ich ein Buch bekommen. Ich hab vergessen, wie der Autor heißt. Über Barcelona. Am nächsten Tag wieder Physiotherapie. Wenigstens ist das Essen hier besser als im Wilheminenspital. Aber nicht umwerfend. Immer der allerschlechteste Essig. Man kann es essen. Um ½ 4 kommt wieder der Professor. Die CD hat er noch nicht angeschaut. Depression haben Sie keine. Immerhin ist er jetzt zu diesem Schluss gekommen. Der weiß doch gar nicht, was eine Depression ist. Aber unbewusste Angst. Unbewusst. Blödmann. Der weiß doch gar nichts von mir. Der hat sicher von Psychoanalyse keine Ahnung. Unbewusste Angst. Das hat er jetzt schon ein paar Mal wiederholt. Idiot. Ich kenn mich wohl besser als er mich. Ich weiß selbst, ob ich Angst habe oder nicht. Ich weiß selbst, ob ein Leiden von mir psychisch ist oder nicht. Dieses ist es jedenfalls nicht. Das übelste ist, wenn einem die Ärzte einreden, es ist alles psychisch. Auf den Kopf zusagen, ohne irgendeine Ahnung zu haben, wen man vor sich hat. Das ist sooo gefährlich. Außerdem hat ein gewöhnlicher Arzt keine Ahnung von der menschlichen Seele. Und dieser Kerl weiß auch nicht, dass ich sieben Jahre in Therapie war und dass ich sehr wohl weiß, ob mein Leiden psychisch ist oder nicht. Er lässt einen auch gar nicht zu Wort kommen. Fährt so drüber. Er weiß das: Unbewusste Angst. Der Kerl hat sicher keine einzige Zeile Freud gelesen. Aber von unbewußter Angst faseln. Aus unbewusster Angst kann ich nicht gehen. So ein Schwachsinn. Ich hab einmal einen Patienten gehabt, der war ganz schief. Der ist immer im Hof im Kreis gelaufen, bis er gerade war. Der war aber kein Intellektueller. Ist aber jeden Tag im Hof hier gelaufen. Das soll ich jetzt auch machen, was? Solange laufen, bis ich wieder gehen kann. Tepp. Was macht denn hier der Stock? Damit ich besser gehen kann. Er macht ein ganz entsetztes Gesicht. Als ob ich völlig übergeschnappt wäre, weil ich mit Stock gehe. Als ob ich ein Hypochonder wäre. Dabei hat der eine Arzt gesagt, ich dissimuliere. Der hat jedenfalls mehr psychologisches Verständnis gehabt als der Herr Professor, der Neurologe. Er weiß ja gar nicht, wie schlecht ich gehe. Die CD hat er auch noch nicht angeschaut. Das ist ja nicht wichtig, es ist eh nur unbewusste Angst. Ich ruf die Emmy Pappenheim an und frag sie, ob sie den Professor kennt. Nein, kennt sie nicht, sie wird sich erkundigen. Er soll gut sein. Sie hat für mich einen Termin beim Primarius Müller ausgemacht. In drei Wochen. Gut. Am nächsten Tag wieder Massage und Osteopathie. Zu Mittag frag ich, was das für ein Medikament ist. Hab es in der früh nicht genommen. Das ist das Glückshormon. Aha. Das nehm ich jetzt. ½ 2, die Bertha ist gerade gekommen. Ich geh mit ihr raus. Wir können vielleicht in die Cafeteria gehen. Da kommt der Professor, er will gerade zu mir. Ich geh in mein Zimmer und sag zu ihm: Jetzt sehen Sie einmal, wie ich gehe. Er schaut so und sagt: Da müssen wir gleich noch einmal untersuchen, damit wir nichts übersehen. Er schmeißt mich hin und her. Nicht sehr angenehm. Noch einmal. Nicht sehr angenehm. Er findet nichts. Er geht. Die Bertha will in die Cafeteria. Sie hat noch nichts gegessen. Eigentlich kann ich nicht so gut gehen. Sie geht relativ schnell. Muss ich mich einhängen. Oi je, es ist verraucht. Mir wird schlecht. Sie holt ein Wagerl und führt mich aufs Zimmer. Kaum bin ich oben, speib ich. Man muss den Professor holen. Eine Ärztin kommt, der Professor kann nicht. Ein bisschen später kommt er dann doch. Dann sag ich ihm aber: Sie haben mir ja nicht geglaubt. Sagt er: ja, die Frau Doktor hat gesagt, es ist untypisch. Sehr witzig. Der hat er aber nicht geglaubt. Denkt seinen eigenen Scheißdreck von der unbewussten Angst. Sie hängen mir eine Infusion an: Vertirosan gegen Schwindel. Ich glaub, mir ist so schlecht vom Glückshormon. Am nächsten Tag ist mir immer noch schlecht. So kann ich unmöglich zur Physiotherapie gehen. Dafür karren sie mich zur HNO. Das wurde eh schon alles untersucht. Mir ist so schlecht. Wieder zurück, wieder Infusionen. Nachmittag kommt die Anna. Es hat gar keinen Sinn. Ich kann mich nicht unterhalten. Sie geht wieder. Dem Peter muss ich auch absagen. Es ist schrecklich. Ich glaub, mir wird auf die Infusionen noch schlechter. Wer weiß, was da drinnen ist. Die Frau Doktor von der Physiotherapie schickt mir jemanden zur Fußsohlenreflexbehandlung. Daraufhin wird mir auch nur noch schlechter. Das ist ja fürchterlich. Jedenfalls ist mir jetzt noch schlechter als zuvor. Am Samstag muss ich in ein Zweibettzimmer übersiedeln. Ich will aber hier bleiben. Das geht nicht. Außerdem ist es in dem anderen Zimmer viel schöner, sagt die Schwester. Da gibt es einen Balkon. Die Schwestern helfen mir. Packen meinen Koffer und karren mich dann hinauf. Ein altes Weiberl ist im Zimmer. Sie ist schon drei Wochen da, hat eine Bronchitis. Mhm. Wahrscheinlich kann sie zu Hause nicht gepflegt werden. Erträglich. Nachmittag kommt Ingeli und der Franz. Wir gehen Café trinken. Plötzlich wird mir schlecht. Zurück zwischen den beiden. Oh Gott. Mir ist schlecht. Ich will jetzt keine Infusion mehr. Das macht das alles noch schlimmer. Sonntag geht’s mir endlich besser. Montag kann ich schon ohne Wagerl zur Physiotherapie gehen, aber in Begleitung des Zivi. Der Professor ist auf Urlaub. Das ist sehr angenehm. Kommt so ein jüngerer, flotter Arzt. Halblanges Haar, flotte Brille, orangefarbene Crocs. Jedenfalls ist er angenehmer als der Herr Professor. Auf dem Nachtkastel hab ich ein riesiges Radio stehen, mit CD Player usw. Das hat mir die Brigitte durch ihren Freund geschickt. Damit können Sie ja eine ganz Party geben. Ist mir eh peinlich. Aber es war nett gemeint von der Brigitte, weil es hier keine Kopfhörer gibt. Sie ist ja immer gleich so rege. Da hat sie mir gleich das Buch von der Lewycka per Post ins Spital geschickt. Und durch ihre Mutter hat sie mir eine Kopfrolle schicken lassen, weil ich so schlecht liegen kann, weil mir der Schädelknochen so weh tut. Wirklich sehr nett. Nur ist die Rolle zu hart für meinen armen Schädel. Ingeli kommt jeden Tag und macht Reki. Sie ist davon überzeugt, dass das hilft, zumindest erleichtert oder die Genesung beschleunigt. Ich weiß nicht. Ich zahl ihr ein bisserl was dafür. Sie braucht das Geld für Ihre Ausstellung, das motiviert sie, zu kommen. Immer bringt sie was Süßes mit und dann frisst sie auch noch mein Nachtmahl. Bei der Frau Doktor in der Physiotherapie beschwer ich mich über den Professor. Ich soll nicht mit dem Stock gehen und es ist alles psychisch. Aber der Professor ist so gut. Daran hab ich meine Zweifel. Aber lachend sagt sie: Mit dem Stock können Sie ruhig gehen. Aber mir geht es besser. Ich kann schon ein bisschen gehen. Jetzt muss ich auch Gymnastik machen. Die Physiotherapeutin ist unsympathisch. Ein junges Mäderl. Ein bisschen streng. Bei der war ich schon vorher. Sie verlangt für eine Dreiviertelstunde 60 Euro, aber davon zieht sie 10 Minuten ab, weil sie den Krankenbericht schreiben muss. Das ist stark. Mir geht es besser. Ich kann schon ganz gut gehen. Der Schädelknochen tut wieder plötzlich stark weh. Die Frau Doktor sagt, das kommt vom Atlas. Der muss eingerenkt werden. Summa summarum geht es mir ganz gut. Am Sonntag wird mir plötzlich schlecht, ein flaues Gefühl im Magen. Was das jetzt ist. Die Frau Doktor meint, das ist vegetativ. Ob mir auch heiß ist. Ja. Sie will 24 Stunden Blutdruck messen lassen. Da bekommt man ein Gerät umgehängt, das jede Viertelstunde misst. Am Abend plötzlich pumpt es auf und pumpt auf und hört nicht auf. Der Arm stirbt ja ab. Ich reiß die Manschette runter. Das Gerät ist kaputt. Wenn das im Schlaf passiert. Da kann man vielleicht sterben, wenn der Arm abstirbt. Eine Ärztin kommt und glaubt, ich hab vielleicht so einen hohen Blutdruck, weil es nicht aufhört zu pumpen. Ärzte. Aber so gut wie vor ein paar Tagen, ist mir nicht mehr. Immer wieder flau, Hitze, der Kopf tut weh, ein bisserl Übelkeit. Jetzt hab ich eine neue Mitpatientin. Magenkrebs, sie bekommt Chemotherapie. Schaut schon wie eine Leiche aus. Meine Freunde schrecken sich. Sie können sie gar nicht anschauen. Wir gehen dann immer schnell raus. Einer der Ärzte dieser Patientin fragt mich, ob ich alle diese Bücher auf einmal lese. Weil ich einen Stoß Bücher am Nachtkastel liegen habe. Eine andere hat mich einmal gefragt, wie lange ich für so ein Buch brauche. Das war von der Hamann „Hitlers Edeljude“, 500 Seiten. Hab ich gesagt: Drei Tage. Ärzte sind halt illiterate Menschen. Der Professor meint, ich soll nach Hause gehen. Ambulant weiter machen. Aber mir ist nicht gut. Es ist Zeit nach Hause zu gehen. Ich bin schon drei Wochen im Spital, aber von einer merklichen Besserung kann keine Rede sein. Ich soll ihm zeigen, wie ich gehe. Ich geh ein bisserl, aber sehr langsam. Schneller. Ich kann nicht schneller. Schneller. Wie er das sagt. So ein Ekel. Dem seine Eltern waren sicher Nazis. Ich soll Nordic Walking. Das kann ich doch nicht in dem Zustand. Idiot. Er glaubt, ich lass mich gehen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich soll nicht die ganze Zeit lesen. Blödmann. Der Kerl hat doch keine Ahnung von meiner Krankheit. Der ist doch Neurologe. Der kennt doch das Leiden gar nicht. Ich beschwer mich auch bei der Ärztin, die Akupunktur macht, über den Professor. Ein liebes junges Mädchen. Nimmt den Professor voll in Schutz. Er ist väterlich. Von wegen. Ich bin eine alte Schachtel, könnte schon Großmutter sein. Ich brauch keinen Vater. Außerdem ist er ein Ekel und kein lieber Papa. Am Freitag kommt Gott sei Dank der flotte Typ. Beschwer ich mich bei ihm, dass mich der Professor rausschmeißen will. Bei der Ärztin von der Physiotherapie beschwer ich mich auch. Sie haben keine Ambulanz. Ich könnte höchstens gelegentlich einmal kommen. Und überhaupt geht sie jetzt auf Urlaub. Das ist eine Katastrophe. Das ist das einzige, was hilft. Da hat es ja wirklich keinen Sinn, da zu bleiben. Am Montag kommt der Professor, druckst so herum. Wahrscheinlich hat man ihm gesagt, dass ich mich beschwert habe, dass er mich rausschmeißen will. Da ist ihm wahrscheinlich klar geworden, dass man mit Privatpatienten so nicht umgeht. Aber es hat wirklich keinen Sinn im Spital zu bleiben, wenn die Ärztin nicht da ist. Dann geh ich eben nach Hause. Kommt der Professor noch einmal. Wir verabschieden uns. Nicht die ganze Zeit lesen. Tepp. In den Patentenbrief hat er auch phobischer Schwankschwindel geschrieben, aber nicht als Alternative, sondern als Diagnose. Cervicalsyndrom und phobischer Schwankschwindel. Aber ich hab keinen phobischen Schwankschwindel. Der ist wirklich ein Tepp, dieser Herrr Professor. Am Montag ist die Frau Doktor wieder da. Ich ruf in der Früh gleich an, ich kann kommen. Mir ist nicht gut. In zwei Tagen hab ich den Termin beim Primarius, bei der Koryphäe. Ich sag der Frau Doktor, dass ich noch eine intensive Behandlung brauche. Auf keinen Fall noch einmal zu diesem Professor. Die Frau Doktor hat wenigstens Verständnis. Sie ist eh sehr nett. Ende 40, zwei Kinder, vielleicht geschieden. Darüber spricht sie nicht. Aber wenn man jeden Tag behandelt wird, unterhält man sich halt ein bisschen. Ich erzähl ihr, dass ich einen Termin bei der Koryphäe hab. Sie meint, das ist sehr gut, sie wird ihn gleich anrufen. Er soll mich in der Privatklinik aufnehmen.
Der Primarius untersucht mich, behandelt mich ein bisschen und nimmt mich auf. Wie lange wird es noch dauern. Zwischen zwei Wochen und drei Monaten. Er meint, ich soll zehn Tage ins Spital. Drei Mal wird er mich behandeln, ansonsten bekomm ich Massagen und Physiotherapie. Er spricht nicht viel. Offenbar kein Mann des Wortes. Eine ganz angenehme Zimmernachbarin. In meinem Alter, hüftoperiert. Plaudert ein bisschen, aber nicht übermäßig. Sie fragt mich, wie viel Kilo Bücher ich im Jahr lese, weil ich die ganze Zeit lese. Aber was soll ich denn sonst machen? Das Essen ist erstaunlich gut. Fünf Mahlzeiten, Jause mit Kuchen. Sie verwenden auch aceto balsamico. Hier geht das ja. Wieso nicht in anderen Spitälern. Die Physiotherapie ist nicht besonders. Wieso behandelt mich kein Arzt wie im Marta-Maria Spital. Ich beschwer mich beim Primarius. Er behandelt mich eh drei Mal, das darf man nicht zu oft machen. Seit Montag behandelt mich eine gute Physiotherapeutin. Sie macht Osteopathie, hält den Kopf mit den Fingern, das tut ein bisschen weh, erleichtert aber. Massage erleichtert auch ein bisschen. Ich klage, dass mir im Liegen der Kopf immer weh tut, der Knochen tut weh. Die Masseurin fragt mich, wie ich liege. Ich zeig ihr das, eingerollt, Babyhaltung. Sagt sie: wer unterdrückt sie so? Das ist stark. Ungeheuerlich! Was glaubt die? So eine blöde Masseurin gibt mir eine Deutung. Das verbitte ich mir aber. Ich schnauz sie ein bisschen an, sie kuscht. Mir geht es Sosolala. Ich geh ganz gut, der Schädel tut nach wie vor weh. Manchmal hab ich das Gefühl, er platzt mir. Ich kann auch schon eine Weile sitzen. Manchmal länger, manchmal kürzer. Entlassung. Ich bin alles andere als gesund. Wie wird das weiter gehen. Die drei Monate sind ja noch nicht rum. In zwei Wochen Termin beim Primarius. Der Frau Doktor vom Marta-Maria Spital schick ich mein erstes und mein letztes Buch. Sie hat gesagt, dass sie in den Ferien immer liest. Und ein Brieferl dazu, wie’s mir geht. Ich geh wieder zur Homöopathin. Vielleicht hat sie ja was gegen diese blöde vegetative Störung. Obwohl bis jetzt nichts geholfen hat. Der Primarius sagt, ein Wirbel drückt gegen den Sympathicus. Die Homöopathin erzählt mir von Laserblutbestrahlung. Hm. Wenn es hilft. Sie gibt mir einen Prospekt mit. Da steht auch was von Laserakupunktur bei Wirbelsäulenerkrankungen. Das ist vielleicht eher was für mich. Sag ich ihr das. Gut, findet sie auch. Machen wir. Alles ausprobieren. Mit der Straßenbahn kann ich nicht fahren, trotz Stock. Ich schwanke und besonders gut ist mir auch nicht. Die Homöopathin ist auf Urlaub. Ich soll ihre Kollegin anrufen zwecks weiterer Behandlung der Laserakupuntur. Das ist eine Gemeinschaftspraxis. Die neue Ärztin macht TCM. Sie kann auch nadeln. Gut, soll sie. Vielleicht hilft es ja. Der Laserduschkopf im Nacken erleichtert ein bisschen. Alles erleichtert kurz ein bisschen und dann kommt alles wieder. Vielleicht doch diese Laserblutbestrahlung. Ausprobieren. Kostet zwar viel, aber das ist jetzt auch wurscht. Vielleicht kann ich zur Physiotherapeutin in der Privatklinik gehen. Das war ganz gut, was die gemacht hat. Hat auch immer ein bisschen erleichtert. Der Primarius ist einverstanden. Jetzt bin ich voll beschäftigt. Laserakupunktur, Laserblutbestrahlung, Physiotherapie. Alle drei, vier Wochen geht’s zum Primarius. Öfter darf seine geheimnisvolle Therapie nicht angewendet werden. Ist ein bisschen ein Hokuspokus. Er nimmt den Kopf in die Hände und dann geschieht fast nichts. Keine Ahnung, was er da macht. Die Ohren tun mir auch weh, manchmal ganz stark. Er sagt, das Gewebe ist geschwollen. Die Akupunkturärztin ist ganz nett. Sie empfiehlt mir Qigong. Die Dame, die es macht, soll es ganz vorsichtig machen. Ich soll mich nicht daran stoßen, wenn sie gewisse Sachen sagt. Aha. Tatsächlich. Die gefällt mir gar nicht. Ich soll mir vorstellen, das Herz hat vorne eine Tür und hinten eine Tür und was meine Lieblingsfarbe ist. Oije das hab ich schon g’fressen. Aber Atemübungen machen wir. Das soll besonders gut sein, dann fließt das Qi nach unten. Wenn’s wahr ist. Das Atmen ist vielleicht ganz gut, aber ich werde total schwindlig davon. Da geh ich nicht mehr hin. Einmal war ich die letzte und die Akupunkturärztin hat mich nach Hause gebracht. Wohnt in meiner Nähe. Hat von ihrem Großvater erzählt. Der war Neurologe in Lainz, offenbar irgendeine Koryphäe. Schau ich im Internet nach. Hier ist er schon, nach dem Krieg Professor und beim BSA. Sehr interessant. Wäre ja interessant, was er während des Krieges war. Aha, Nazi und Mischling 2. Grades, sogar ein ziemlich scharfer, obwohl er sich nicht habilitieren konnte. Das sind die merkwürdigsten Geschichten. Vielleicht weiß sie das gar nicht. Normal arbeitende Menschen sind nicht so firm im Internet und in den Familien wird viel verschwiegen. Kann schon sein, dass sie es nicht weiß. Ob ich sie darauf ansprechen soll? Wär interessant, was sie sagt. Ich hab ihr eh mein erstes Buch geschenkt, aber sie scheint es nicht zu Ende gelesen zu haben. Sie hat erzählt, sie war einmal in einer Buchhandlung und wollte ein unterhaltsames Buch kaufen und hat irgend etwas völlig Langweiliges bekommen. Daraufhin hab ich ihr mein Buch geschenkt mit der Bemerkung, dass es lustig ist. Das sind halt extrem illiterate Leute. Bemerkenswert. Aber immerhin hat sie einmal gesagt, dass ich etwas über meine Krankheit schreiben werde. Das hat sie doch scharfsinnig erkannt. Den Anfang meines Buches hat sie gelesen. Vielleicht hat sie sich ja dann an den kommunistischen Eltern gestoßen. Jedenfalls hat sie dann nichts mehr gesagt. Und die Ärztin vom Marta-Maria Spital hat sich für die zwei Bücher, die ich ihr geschenkt habe, gar nicht bedankt. So sind die Menschen, aber wahrscheinlich ist sie überbelastet.
Es ist Abend. Ich lieg im Bett und dreh mich um. Plötzlich ist mir wieder totenschlecht. Ich lieg mit dem Kopf auf der Seite und sterbe. Es ist wieder wie das Ende. Wieder zitter ich so. Helmut anrufen. Gott sei dank ist er zu Hause. Ich sag ihm, dass ich sterbe. Er kommt gleich runter. Gott sei dank hat er Schlüssel. So komm ich in kein Spital. Ich kann den Kopf nicht heben. Er berührt mich im Nacken mit den Fingern. Da bin ich selber drauf gekommen. Es wird besser. Dreht den Kopf ein bisschen um. Eine Stunde behandelt er mich. Es wird besser. Gott sei dank. Die nächsten Tage ist mir schlecht. Hab eh einen Termin beim Primarius. Früher geht leider nicht. Nur wenn jemand absagt. Er sagt, der Wirbel war blockiert, hat sich nicht zurückgedreht. Was weiß ich, es ist schrecklich.
Ich muss immer noch mit dem Taxi fahren, zurück fahr ich jetzt immer ein Stückerl mit den Öffis. Mit dem Gehen geht’s schlecht. Das bisserl, das ich gehe, geh ich wie eine Schnecke. Und Stehen kann ich auch nicht. Das ist sicher nicht gesund, dass ich mich fast überhaupt nicht bewege. Wenn das so weiter geht, verlerne ich ja noch das Gehen. Aber schließlich gibt es ja auch Leute, die im Rollstuhl sitzen. So weit bin ich ja noch nicht. Vielleicht kann ich doch ein bisschen weniger mit dem Taxi fahren. Probieren. Tragen kann ich überhaupt nichts. Wenigstens kann ich schon selbst einkaufen gehen. Wenn auch nichts Schweres. Das bringt mir schon jemand. Jeder Besucher bringt mir immer etwas mit. So bin ich eh gut versorgt. Manchmal geht es mir ja halbwegs, dann wieder ziemlich schlecht. Es geht auf und ab. Aber nie wirklich gut, geschweige denn, dass es bleibt. Die TCM Ärztin mit dem Nazigroßvater ist jetzt eher pessimistisch. Ich hab den Eindruck, sie meint, dass die Behandlung nichts mehr bringt. Sag ich ihr das. Sie ist vorsichtig. Zumindest soll ich nur mehr einmal in der Woche kommen. Sie hat ja Recht. Jetzt hab ich das schon ein halbes Jahr und es ist nur wenig besser geworden. Ich kann zwar mit den Öffis fahren. Geh aber mit Stock und Sitzen kann ich höchstens ein, zwei Stunden. Wenn ich länger sitze, wird mir schlecht. Und der Schädelknochen tut mir immer noch weh. Ich geb aber die Hoffnung nicht auf. Der Helmut hat mir schon einmal Feldenkrais geraten. Noch so ein Hokuspokus. Ich mach eh genug. Hab schon gehört davon. Niemand von meinen Freunden ist davon begeistert. Jetzt stößt er wieder nach. Ich soll zum Feldenkrais gehen. No gut, probieren wir das auch noch. Sie schaut mich an und sagt, dass ich schief bin. Das weiß ich eh. Sie werden sehen, der Schwindel wird vergehen. Ich hab erst unlängst eine Frau mit Schwindel behandelt. Und jetzt ist sie nicht mehr schwindlig. Ich liege auf dem Bett und sie berührt mich ein bisserl. Nur ganz wenig. Wenn das was nützt. Sie ist aber sehr nett. Linzerin, hatte Kunst studiert und kennt alle möglichen Autoren. Aber zum Tratschen bin ich ja nicht hier. Am Rücken berührt sie mich ein bisschen. Das ist ganz angenehm. Dann soll ich mit je einem Polster unter den Achseln gehen. Meinetwegen, bitte. Sie behauptet, Feldenkrais ist wissenschaftlich nachgewiesen. Ich soll etwas darüber lesen. Ich hab aber keine Lust so was zu lesen. Hab genug interessante Lektüre. Gut, der Erfinder war Physiker, kommt aus einem russischen Stetl, nach Palästina ausgewandert. Fulminante Erfolge. No ja. Mach ma das halt auch. Das nächste Mal arbeiten wir mit den Augen. Schauen Sie nach links, schauen Sie nach rechts. Nach rechts geht nicht besonders. Sie greift mich wieder ein bisserl an. Am Rücken, an den Füßen, den Zehen. Das rechte Bein ist schuld. Hokuspokus. No gut. Soll sein. Alles ausprobieren. Nach dem dritten Mal geht es mir besser. Vielleicht nützt das ja doch was. Ich kann schon länger sitzen, auch weiter spazieren gehen. Es geht erheblich besser. Nach dem fünften Mal ist es mehr oder weniger weg. Ich brauch den Stock eigentlich nicht mehr. Drei Mal geh ich noch hin, zur Sicherheit. Ich bin gesund.